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WDC WM Kür Latein • Kurhaus Baden-Baden

|   Archiv 2018

Eine Nachbetrachtung zur WM in Baden-Baden von Peter Hölters mit Fotos von Wolfgang Menningen-Weiß (LOBOPRESS).

Es war eine tolle Tanzweltmeisterschaft, die eine Menge zu bieten hatte:
einen würdevollen Rahmen; perfekte Organisation; ein großes Teilnehmerfeld, 22 startende Paare; …und Dramen – auf und neben dem Parkett.

Der Reihe nach:
Die WM beginnt um 14:00 Uhr im wunderschönen Bénazet-Saal des Kurhauses. Zweiundzwanzig Küren am Stück! Im Programmheft wird darauf hingewiesen, dass Lautstärken über 85 dB möglich sind und dass Gehörschutz am Eingangs-Counter bereit liegt. Man ist also gewarnt. Es folgen „viele Tote, Ascheregen und Emotionen pur“, wie das „Badener Tagblatt“ in seiner Montagsausgabe treffend titelt. Überwiegend schlechte Laune, so könnte man auch sagen. Irgendwie erwartet man bei einer Kür-Meisterschaft Latein die Charakteristika dieser Tänze: Fröhlichkeit, Charme, Anmut, Ausgelassenheit und - sicher auch - Drama. Letzteres überwog deutlich. Zwei Ausnahmen möchte ich erwähnen: einmal die Kür von Valera und Nina „Him and Her – Her and Him“, verspielte Romantik, „klassisch“ lateinamerikanisch vertanzt, mit der sie dann ja auch verdient ins Finale kamen und den Beitrag des Paares aus Israel, Evgeny Sokhrany und Anastasia Kositsyna: gute Laune pur, folkloristisch umgesetzt. Schade, hier reichte es nicht für die nächste Runde. Die Wertungsrichter hatten alle Hände voll zu tun, denn es galt in einem „Sitzungsmarathon“ - über zwei Stunden, ohne Pause - die zwölf Paare für das Semifinale zu ermitteln. Da noch den Überblick zu behalten - das war nicht einfach.

Ausverkauftes Haus am Abend: Das Semifinale.

Zwölf Paare, eine bunte Mischung: Drei Paare aus Russland, darunter die mehrfachen Titelträger Arsen Agamalyan und Oksana Vasilyeva, zwei aus Italien, USA, Japan und Deutschland (Dmitry Barov und Ekaterina Kalugina, Valera Musuc und Nina Trautz), sowie Vadim Garbuzov und Kathrin Menzinger aus Österreich, die erstmals an einem WDC Turnier teilnahmen.

Nun gilt es, die sechs Finalisten zu ermitteln. Jeder macht das etwas anders. Die einen entscheiden „aus dem Bauch heraus“, andere vergeben Punkte für den technischen Inhalt, die choreografische Idee und die Umsetzung. Wie auch immer, am Ende müssen da sechs Kreuze stehen, die frau/man nach bestem Wissen zu vergeben haben.

Manche Entscheidungen werden einem abgenommen. Zwei Paare wurden disqualifiziert: einmal wegen Überschreitung der Zeit auf der Fläche (Denis Tagintsev und Ekaterina Krysanova aus Russland), sowie Pasha Pashkov und Daniella Karagach aus den USA, die einen Lift zu viel eingebaut hatten. Die Amerikaner nahmen es sportlich fair.

So rückten zwei Paare nach und wurden es sieben Finalisten, die so platziert wurden:

1. Andre und Natalie Paramonov aus den USA, die sich mächtig freuten und nicht dem Weltmeistertitel gerechnet hatten. Es war eine knappe Entscheidung, die auf der Majorität der ersten und zweiten Plätze errechnet wurde. Würdige Sieger.
2. Vadim Garbuzov und Kathrin Menzinger aus Österreich, knapp dahinter. Favoriten des Publikums. Tolle Leistung, was für ein Einstand!
3. Arsen Agamalyan und Oksana Vasilyeva aus Russland, mit einer rasanten Kür, die die schauspielerischen Fähigkeiten von Arsen voll ausnutzte. Gut, das Reglement gibt das her, aber das war schon ganz nah an einer „Exhibition“, nur mit weniger Lifts. Sie waren vom Ergebnis schwer enttäuscht und zeigten das auch deutlich. Sie beteiligten sich nicht am gemeinsamen Tanz der Finalisten mit dem Siegerpaar, ließen ihre Bronzemedaille liegen und verließen kopfschüttelnd die Fläche. Respektvoll dem Veranstalter und Publikum gegenüber war das nicht!
4. Davide Fumagalli und Debora Macaluso aus Italien mit „Schindlers Liste“. Ein schwieriges Thema, effektvoll umgesetzt, aber das auch viele Zuschauer betroffen machte.
5. Valera Musuc und Nina Trautz, die eine klassische Kür tanzten und damit einen wohltuenden Kontrapunkt setzten. Für mich hätten sie besser abschneiden können.
6. Daisuke Masuda und Mami Tsukada aus Japan.
7. Yuki Murata und Maria, auch aus Japan, die mir gut gefielen und die ich vor ihren Landsleuten gesehen habe.

Hinter und teilweise auch vor den Kulissen rumorte es gewaltig. Denis Tagintsev wollte die Disqualifikation nicht hinnehmen, protestierte heftig beim Chairman und forderte das Saalmikrofon vom Turnierleiter Matthias Fronhoff, um sich an das Publikum zu richten und seine Version des Vorfalls öffentlich zu machen. Erst nach dem Hinweis, dass man hier gleich von seinem Hausrecht Gebrauch machen werde, konnte das Turnier fortgesetzt werden.

Die Kürregeln des WDC erlauben viel - um der Kreativität Raum zu geben. Da ist viel von „sollte“ und „kann“ die Rede, aber das sind nur Empfehlungen. Lediglich zwei Beschränkungen gibt es: die Anzahl der Lifts (3), und die Dauer des Vortrags, inklusive des Auf- und Abgangs von der Fläche (4 Minuten). Wer sich daran nicht hält, der wird automatisch disqualifiziert. In der Auslegung dieser Regeln sind die Choreografen kreativ, insbesondere wird das vorgegebene Zeitlimit häufig derartig ausgenutzt, dass die Paare sich schon sehr beeilen müssen, um rechtzeitig von der Fläche zu kommen. Im eigenen Saal mag das ja locker reichen, da sind es vielleicht nur drei bis vier Schritte. Aber was passiert, wenn die Fläche größer ist? Zeitnot! Das stellte sich bei einigen Paaren auf der Probe heraus und sie wurden auch darauf hingewiesen.

Es wurde der Vorwurf erhoben, der Chairman Klaus Gundlach hätte ja eine Warnung geben können
(das war ja bei der Probe bereits geschehen!) und es wurden Beispiele angeführt, wo man es bei anderen internationalen Meisterschaften auch nicht so genau genommen hätte. Da wurde den Paaren ein Extraauftritt eingeräumt, um den Applaus des Publikums entgegennehmen zu können. Das war eine Ausnahme, die allen Paaren vorher bekannt gegeben wurde und somit alle für sich nutzen konnten. Was aber nicht zu einer Änderung der aktuell bestehenden Regeln führte. Insofern, für mich, alles richtig gelaufen. Es kommt sicher auch darauf an, wie sich eine solche Ausnahme auf den Verlauf der Veranstaltung auswirkt. Bei 22 teilnehmenden Paaren wäre das schwierig und dem Ablauf nicht angepasst gewesen. Aber das war überhaupt nie ein Thema. Weder vor dem Semifinale, noch vor dem Finale.

Im Nachgang ließen sich einige User in den sozialen Medien sehr negativ zur Disqualifikation des russischen Paares aus. Da ist neben viel Unsachlichem immer wieder die Rede von „Respekt“, der eingefordert wurde. An Respekt gegenüber den Paaren mangelte es jedenfalls nicht. Am fairen Umgang mit Veranstaltern, Publikum und Ausrichtern vereinzelt sehr.

Für die Wertungsrichter gibt es einen schriftlichen Verhaltenskodex, an den man sich zu halten hat. Mir ist nicht bekannt, ob es so etwas auch für die Paare des WDC gibt. Ich höre schon die Stimmen: „Wollt Ihr das jetzt auch noch regeln? Das ist doch nicht notwendig!“ Ich denke doch. Das Beste wäre, wenn die Paare sich diesen Kodex selbst erstellen würden. Da müsste mal einer der Aktiven einen entsprechenden Antrag stellen.

WDC Weltmeisterschaft Latin American Showdance
1. Andre Paramonov & Natalie Paramonov, USA
2. Vadim Garbuzov & Kathrin Menzinger, Österreich
3. Arsen Agamalyan & Oksana Vasileva, Russland
4. Davide Fumagalli & Debora Macaluso, Italien
5. Valera Musuc & Nina Trautz, Deutschland
6. Daisuke Masuda & Mami Tsukada, Japan
7. Yuki Murata & Maria, Japan

Die Paare auf dem 11./12. Platz wurden von dem Wertungsgericht in das Finale gewertet, jedoch wegen eines Regelverstoßes disqualifiziert. Paar Nr. 18 wurde von 7 Wertungsrichtern in das Finale gewertet, Paar Nr. 20 von 5 Wertungsrichtern.

Durch die Disqualifikation der Paare 18 und 20 bedingt, sind die Paare auf dem abschließenden 4., 6. und 7. Platz in das Finale gekommen.

Ergebnisse und Wertungen

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