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Deutsche Meisterschaften • 23.02.23 • Europa-Park Rust

|   Archiv 2023

Ein Bericht von Michael Hull - Mehrfacher Deutscher- und Weltmeister im Tanzsport.
Alle Fotos: Valentin Behringer


Zum ersten Mal fanden die Deutschen Meisterschaften der Professionals im Rahmen des EURO DANCE festivals im Europa-Park in Rust statt. Eine perfekt organisierte Abendveranstaltung, mitten in der Woche an einem Donnerstag, eine super Atmosphäre in einem ausverkauften Saal.

Der Ausrichter der Meisterschaften, „Gutmann Events“ mit Matthias Blattmann und Team, verstehen es, seit 17 Jahren erfolgreich Tanz-Events durchzuführen.

Turnierleiter des Abends war Matthias Fronhoff, der es immer wieder versteht, mit Witz gekonnt durch Tanzsportveranstaltungen zu führen und das Geschehen auf der Fläche zu moderieren. Mit seinem Charme und Know-how erreicht seine positive Stimmung immer wieder das Publikum.

Im Publikum begrüßen konnte er die ADTV-Vizepräsidentin Martina Trautz, den DTV-Schatzmeister Markus Sónyi und die DPV-Präsidentin Evelyn Hädrich-Hörmann.

11 Paare waren in den Standardtänzen am Start, sieben Paare in der Lateinsektion. Leider hatten drei Paare aufgrund von Krankheit absagen müssen, Viktor Burchuladze konnte wegen Visaschwierigkeiten mit seiner Partnerin Victoria Cibis leider nicht teilnehmen.

Begonnen wurde mit der Meisterschaft in den Standardtänzen, an der die bisherigen Deutschen- und Weltmeister Domen Krapez und Natascha Karabey nicht mehr teilnehmen konnten, da sie nach der DM 2022 ihre aktive Karriere beendet haben. Spannung war also angesagt, da es ein neues Deutsches Meisterpaar geben musste.

Platz Eins in allen fünf Tänzen und verdiente neue Deutsche Meister: Anatoliy Novoselov und Tasja Schultz-Novoselov aus Pforzheim. Durch ihre rhythmische Aufteilung, gepaart mit dem technischen Know-how, zeigten Anatoliy und Tasja was es heißt, mit dem Körpergewicht rhythmisch in der Musik dynamisch zu sein. Besonders ihre tiefen Ansätze in den Schwungtänzen und auch beim Wiener Walzer. Paul Krebs, der Wiener Walzer König, sagte immer: Der Walzer muss fliegen. Das zeigten beide. Sie führten Bewegungsvolumen und Präsenz auf der Tanzfläche im Paartanz vor. Mit Genuss schaut man ihrer in sich ruhenden Bewegungsform zu. Ihre Fußarbeit ist nicht gleich Fußarbeit, sondern Fuß-Arbeit, das Aufnehmen des Körpergewichts und die Weiterleitung in raumgreifende, rhythmische Bewegungsformen. Nichts ist so leicht, wie es aussieht.

Im Vergleich zu den anderen Paaren entsteht dadurch auch eine stärkere Wahrnehmung von:

1 - durch die Größe und die Flexibilität in der Körperlichen-Haltung,

2 - die Schwung- und Neigungswechsel,

3 - die aus der Hüfte schwingenden Schrittgrößen auf der Tanzfläche während ihrer Darstellung.

Vor allen Dingen im Finale und auch beim Ehrentanz zeigten sie deutlich mehr ihre positiven Stärken. Dabei schön anzuschauen, wie Anatoliy es gekonnt versteht, diese Stärken zu zeigen, ohne dabei die authentischen elementaren Grundbegriffe in Balance und Bewegung infrage zu stellen. Er hat seine Partnerin nicht zusätzlich mit negativ Schwung-Gewicht belastet. Diese freiheitlichen Bewegungs-Grundziele, die auch eine längere Zeit brauchen aufgebaut zu werden, haben auch eine Verantwortung in sich, die man Gentlemanlike auf der Tanzfläche dann vorstellen darf.

Deutsche Vizemeister mit Platzziffer 12 wurden Niklas Neureuther und Feodora Khah aus Bonn. Sie zeigten mehr Bewegungsdynamik als bisher, was vorteilhaft ist, um damit auch international mitzuhalten. Ihr Wiener Walzer war ein sattes Erlebnis. Damit gemeint ist, dass das Paar ihre Schwünge gut rhythmisch gesammelt und komprimiert zeigen konnte.

4-5-6 der Wiener Walzer Rechtsdrehungen empfand ich eher als Neigungsbruch anstatt zentriertes punktgenaues aufrechtes Belasten zum Führen der nächsten folgenden Bewegung der Dame.

Wenn man tanzt, ist es nicht eine Absicht, einen genauen Punkt auf der Fläche zu erreichen, sondern jeden Schritt auf der Reise dorthin zu genießen.

Ihr Quickstep war wie ein Highlight Feuerwerk im Hexenkessel. In diesem Vortrag verfolgten wir zwei sehr engagierte Menschen, die mit dem Medium "Tanzen" sich keine Pause gegönnt haben. Dieser Tanz ist der sportlichste der Standardtänze und da muss alles stimmen. Jeder Fehler ist sofort sichtbar. Es war sehr elegant und schön anzuschauen.

Auf den dritten Platz der DM und im Langsamen und Wiener Walzer auf Platz zwei, Arthur Zschäbitz und Antonia Lange aus Berlin, die absoluten Newcomer dieser Meisterschaft. Was ich besonders gut bei diesem Paar empfand, wie sauber, klassisch und mit eleganten Schwüngen, mit Füßen schließen, sie es mit Bravour und ohne Stressfaktoren alles stilistisch vorgeführt haben. Die beiden verstanden es, wie sie mit ihrer Energie gekonnt spielen konnten. Mein persönliches Standard-Highlight des Abends. Die beiden werden noch weit kommen!

Es zeigt sich mehr und mehr der Unterschied zwischen Spreu und Weizen. Wird es erreichbar sein, die vorhandenen Potenziale weiter hervorzubringen, oder scheitert man an dem Druck, es nicht erreichen zu können?

Viele Paare, die sich vor dem Turnier auf der Tanzfläche warm machten, waren dabei besser in der Kommunikation der Haltungen zusammen als bei dem eigentlichen Turnier. Bei einigen Paaren sah ich beim Aufwärmen währenddessen deutliche Bewegungskunst-Verbesserungen als im Vorjahr, die sie aber im Turnier Stress leider wieder verloren haben, schade!

Mehrere Paare konnten im Stress des Turniers ihre Füße nicht schließen oder ihre geschwungenen Bahnen mit innen- und außenseitlichen Drehungen sowie Positionen nicht umsetzen. Teilweise konnten sie ihre Tanzachse in der geschlossenen Tanzaufrichtung nicht aufrechterhalten.

Die drei Medaillengewinner-Paare zeigten sich dynamischer, raumgreifender und haben somit zurecht ihre Platzierung erreicht.

Sportler fühlen sich in diesem Bereich eher zu Hause! Wenn man verliert, opfert man gerne die Zeit und Verständnis, um besser zu werden, um dadurch ein höheres Ergebnis beim nächsten Mal für sich erzielen zu können.

Tanzen ist die Kunst, Ästhetik, Sportlichkeit, Überwindung, viel Beweglichkeit und durch körperlichen Druck der Fuß-Arbeit zur Leichtigkeit zu vollenden. Die Musikalität ist ein Hauptbestandteil eines guten Tänzers und sie sollte nicht nur in den Schrittabfolgen zu sehen sein.

Wer sich bei einer Meisterschaft nur auf Schrittfolgen begrenzt, landet langfristig in einer Sackgasse!

Volker Schmidt & Ellen Jonas: In Rust konnte ich die Ruhe dieses Paares und ihre authentischen Bewegungen deutlich sehen. Bisher waren sie übersportlich auf der Turnier-Tanzfläche engagiert, wobei zu viel Spannung das Raumgreifende eher einengt. Jetzt sah ich zum ersten Mal wie das Paar in sich ihren neuen Stil vervollkommnen und dabei atmen und die Schwünge vollenden konnte. Es war weitaus entspannter zuzuschauen und diesmal einladend zugleich.

Julian Wagner und Sophie-Charlotte Kreuser. Seine Arme sind in der Standardaufrichtung viel zu weit im Paar nach hinten, sie kann nicht rückwärts abrollen oder aus der Hüfte die Beine nach hinten schwingen. Das wäre für die beiden der nächste Schritt!

Lukas Steinegger und Constanze Gabriel. Nur der eigentliche Turnierstress leitete viele alte negative Bewegungen wieder zurück. Ihre Performance beim warm Up war schöner anzusehen als beim eigentlich Turnierstress.

Tanzen steht immer mehr im Vordergrund der Initiative der Gesundheitsreformen und ist daraus bald nicht mehr wegzudenken. Gerade auch bei einem Profi, der sein Wissen in kleine Puzzleteile in Elementen weitergibt, sieht man die Erfolge und die Wirksamkeit für Körper und Seele.

Zwischenmenschliche und soziale Beziehungen werden damit gefördert und unterstützen das gemeinsame Wohlbefinden und Einsatzbereitschaft.

Außer den Medaillengewinnern in der Standard- und Latein-Sektion haben sich die nächstplatzierten Paare in ihrer Mitte zueinander nicht gefunden, ohne dies kann man aber keine konglomerate Bewegungen ausführen.

Ein Ziel kann man sich vornehmen: Zum Beispiel sich auf die Verteilung des Grundrhythmus zu einigen oder auch hauptsächlich neben den Hauptschlägen, die halben Schläge in der Musik zu vertanzen (halbe Schlagwerte ist, Verdopplung der Schritte innerhalb des gleichen Hauptschlages in der Musik).

Dafür besteht das Wissen in den verschiedenen Ebenen der Führungsformen, anstatt nur oberflächlich eine Choreografie abzutanzen. Die Paardynamik leidet darunter.

Auch wenn bei der Standard-Haltung eine übertriebene Rücken-Streckung von der Dame erwartet wird, um damit ihren Kopf, der eher aus der Rahmenhaltung hinausragt, zu forcieren, muss man dabei bedenken, dass der Kopf anatomisch der schwerste Teil des Körpers ist, aber nicht unbedingt der Inhalt, um so etwas zu unternehmen.

Zum Glück wurde uns dieser Anblick bei diesem Turnier erspart!

Lateinamerikanische Tänze:

Bei Andrey Larin und Nina Trautz kann man deutlich sehen, wer sich durch die rhythmische, spielerische Freiheit körperlich grundlegend weitergebildet hat. Führen und Spüren sind in aller Form des Tanzens ein gemeinsames Spiel, worauf man sich beim Atmen in den Rahmen einlassen will oder auch möchte. Auch die Dame darf ihre Initiative im Paar zeigen: Nina in der Samba: („The walking Rhythm“), ein guter Partner gibt kurzzeitig eine lange Leine. Hier sieht man klar, wie der Künstler Andrey sich mit Nina gefunden hat. An Nina Trautz sieht man sehr gut, wie ihre Technik immer positiver, rhythmischer und filigraner wird. Ihre Fitness, Präsenz und binnenkörperlichen Ausführungen heben sich deutlich von den anderen Damen ab. Ihr Latein-Vortrag ist intensiv-feurig anzusehen. Ihr Paso Doble ist, wie die anderen Tänze ebenfalls, eine verbindende Geschichte!

Was ich besonders bei Andrey und Nina schön fand, ist, wie sich ihre Arme aus der Körpermitte entwickeln konnten. Das Paar hat sehr gute Fortschritte gemacht und TANZEN jetzt mehr miteinander. Ihre tänzerische Vielfalt, die die beiden hier vorführten, ließ schon einige erblassen. Der Tanz ist wie eine eigene Sprache. Eine Grundform der Kultur, die sich in ihrer Vielfalt gezeigt hat. Andrey führte deutlich klar vor, welche Rolle er in seiner Ausführung und Darstellung darbietet. Die beiden werden mehr und mehr in Zukunft zu den internationalen Top-Favoriten zählen.

Hier kann man sehen, dass das Üben der Schlüssel zum Erfolg ist und nur bleibt! Es zu wiederholen, ist der Reiz des Ehrgeizes! Die Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik! Er verkörpert nicht nur den Tanz, sondern verbindet es mit einer Geschichte, der Kultur und Herkunft des Tanzes. Ein gelungener Vortrag, der nicht so einfach ist.

Rami Schehimi und Susan Alice Fichte verteidigten mit fünf zweiten Plätzen erfolgreich und eindeutig ihren Vizemeistertitel aus 2022 in Leipzig. Man sieht, dass das Tanzen nicht nur ihre Begeisterung zeigt, sondern auch ihre Emotionen und Leidenschaft zur Musik. Das Paar flog energetisch über die Tanzfläche. Man sieht deutlich, dass in ihnen viel Potenzial steckt, das noch nicht ganz entfacht wurde.

Simon Völbel und Maria Schulle wurden wie schon 2022 Bronzegewinner.  Bei der Europameisterschaft in Portugal im letzten Jahr begeisterten sie mich durch ihre Bewegungsart mehr als jetzt. Ich glaube, dass das Paar neue Ideen und Richtungen zu ihrer weiteren Entwicklung braucht. Im Jive müsste ihr Energie-Level deutlich erhöht werden. Ihre Rumba war der beste Tanz.

Aus den beiden Turnieren errechnete sich der Titel über 10-Tänze. Eindeutige Champions und Titelverteidiger: Valera Musuc und Antonia Schwarz. Ein elegantes Paar. In den Standardtänzen sollte Valera, besonders in der Entstehung der links gedrehten Figuren, mehr seiner Dame Raum lassen, dann gehen die Arme nicht hinter den Rumpf des Herrn. Schöne elegante und rhythmische Fußarbeit in den lateinamerikanischen Tänzen.

Es war eine großartige Meisterschaft, tolle Atmosphäre und ein begeistertes Publikum. Die Paare fühlten sich hier sehr, sehr wohl.

Danke an Matthias Blattmann und dem „Gutmann Events Team“ und auch an Matthias Fronhoff als Moderator und Bernd Bork als Chairman. Und nicht zu vergessen: DJane Evelyn, die für Turnier und Publikum tolle Musik gemacht hat!

Deutsche Meisterschaft Standard
1. Anatoliy Novoselov / Tasja Schulz-Novoselov, Pforzheim
2. Niklas Neureuther / Feodora Khan, Bonn
3. Arthur Zschäbitz / Antonia Lange, Berlin
4. Volker Schmidt / Ellen Jonas, Wetzlar
5. Julian Wagner / Sophie-Charlotte Kreuser, Bonn
6. Valera Musuc / Antonia Schwarz, Passau

Deutsche Meisterschaft Latein
1. Andrey Larin / Nina Trautz             Augsburg
2. Rami Schehimi / Susan Alice Fichte         Nürnberg
3. Simon Völbel / Maria Schulle            Grünstadt
4. Valera Musuc / Antonia Schwarz             Passau
5. Berkay Cihan / Jelena Kölble             Berlin
6. Dmitriy Sitnikov / Marina Pitesa            Berlin

Deutsche Meisterschaft 10-Tänze
1. Valera Musuc / Antonia Schwarz             Passau
2. Dmitriy Sitnikov / Marina Pitesa         Berlin
3. Boris Baßler / Daniela Heinzmann         Heppenheim

Das Wertungsgericht:
Fred Jörgens, Olga Müller-Omeltschenko, Sandra Zoglauer, Paul Lorenz, Stephan Ossenkop, Tatiana Müller, Bernhard Zirkler.

Protokoll: Dmitry Lobov

Alle Ergebnisse und Wertungen.

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Die Champions in den Standardtänzen: Anatoliy & Tasja
Die Champions in den Lateintänzen: Andrey & Nina
Die Champions über 10-Tänze: Valera & Antonia
Silber für Niklas & Feodora
Silber Latein für Rami & Susan Alice
Silber 10-Tänze für Dmitriy & Marina
Matthias Fronhoff
DJane Evelyn
Bronze Latein für Simon & Maria
Gleich bei ihrem ersten Profiturnier Bronze: Arthur & Antonia